Die Gemeinderäte der Gemeinden Schleife und Trebendorf verfassten daraufhin am 16.04. 2015 einen Brief an Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Die Antwort ließ lange auf sich warten, vorige Woche traf sie aber doch ein.
Hier kann sich jetzt jeder einen eigenen Eindruck vom Brief der Gemeinde und von der Antwort aus dem BMWi verschaffen.
Der Brief der Gemeinden Schleife und Trebendorf an Bundesminister Gabriel:
Einwand zum Eckpunktepapier und Einladung zur Diskussion
Sehr geehrter Herr Bundesminister Gabriel,
mit diesem Schreiben wenden wir uns mit der Bitte um Hilfe und Unterstützung an Sie. Wir, dass sind die Bürgermeisterin der Gemeinde Trebendorf, der Bürgermeister der Gemeinde Schleife sowie die Gemeinderäte beider Kommunen.
Anlass für diesen Brief sind aktuelle Meldungen zu Entwicklungen in der Energiepolitik der Bundesregierung und die damit verbundenen unmittelbaren Auswirkungen auf unser Leben und die Zukunft der Lausitz.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wird in der Lausitz Braunkohlenbergbau betrieben. Seitdem leben Generationen von Deutschen und Sorben in unserer Region vom Bergbau und der dadurch entstandenen Industrie. Bergbau ist immer ein Vorhaben, das nur auf der Basis langfristiger Investitionen erfolgreich betrieben werden kann. Es ist gerade erst 25 Jahre her, dass die Zeit des Raubbaus in der Landschaft und unsichere wirtschaftliche Verhältnisse nach der politischen Wende beendet werden konnte.
Gerade wir in der Lausitz sind davon ausgegangen, dass auf der Grundlage des Grundgesetzes Verlässlichkeit, Seriosität und Vertrauen unsere Gesellschaft bestimmen. Bei der Umgestaltung der Lausitzer Wirtschaft haben die Menschen in der Region Großes geleistet und erhebliche Opfer gebracht. Heute ist die Lausitz einer der modernsten Kraftwerkstandorte. Weil der ortsgebundene Bodenschatz Braunkohle hier im Revier gefördert und verstromt werden kann, verfügen wir über eigentlich sichere und gutbezahlte Arbeitsplätze in und rund um die Braunkohlenindustrie. Mit der Braunkohle sichern wir die Energiewende ab.
Mit dem Vertrauen in die Seriosität der Politik haben wir seit mehr als zehn Jahren in unseren Gemeinden Schleife und Trebendorf daran gearbeitet, dass die im Braunkohleplan von 1994 aufgezeigte Perspektive im Interesse der gesamten Gesellschaft, der Lausitzer Bürger und natürlich auch im Interesse des Bergbauunternehmens mit seinen Beschäftigten realisiert werden kann. Wir haben uns mit der planerischen Vorbereitung der notwendigen Umsiedlungen gemeinsam mit den betroffenen Bürgern in einen angestrengten Prozess begeben, der mit einer hohen Akzeptanz mit den erforderlichen Einschnitten in die Lebensplanung der Einzelnen einher geht.
Der fortgeschriebene Braunkohleplan für den Tagebau Nochten ist seit März 2014 vom Sächsischen Innenministerium bestätigt. Für alle in der Region war dies die Entscheidung mit der die Inanspruchnahme des Abbaugebietes 2 des Tagebau Nochten und die damit verbundene Umsiedlung unumkehrbar erschien. Der Braunkohlenplan war das formelle Zeichen, dass die Kohle des Abbaugebietes 2 des Tagebau Nochten energie- und gesellschaftspolitisch notwendig ist, dass die Umsiedlungen mit all ihren Schwierigkeiten und den schon lange Jahre andauernden Vorbereitungen und Planungen umgesetzt werden.
Wir in den Gemeinden haben mit den Vertretern des Bergbauunternehmens lange und intensiv verhandelt, damit die Grundlagenverträge zur Absicherung sozialverträglicher Umsiedlungen in unseren Gemeinden unterschrieben werden können. Für beide Gemeinden liegen jetzt unterschriftsreife Verträge vor. Sie beinhalten eine sozialverträgliche Entschädigung der Betroffenen, die über die bergrechtlichen Anforderungen hinaus geht und eine Absicherung der Kommunen in dem Prozess der Umsiedlung inklusive damit verbundener umfassender Modernisierungen bzw. einem Neuaufbau kommunaler Infrastruktur. Von den ca. 1.700 betroffenen Umsiedlern haben sich bereits ca. 94 % für einen neuen Wohnstandort und 84 % für ihre neuen Grundstücke im Rahmen der gemeinsamen Umsiedlungen inklusive Mietwohnungen in ihrem eigenen Gemeindegebiet entschieden.
Für uns vollkommen überraschend wurden vor kurzem die Rahmenbedingungen für diese Themen durch Ihr Ministerium in Frage gestellt. Durch das Bergbauunternehmen wurde uns offen und nachvollziehbar logisch dargelegt, dass die geplanten deutschen Sonderabgaben für den CO2-Ausstoß von Kraftwerken die Braunkohleverstromung schon kurzfristig so belasten werden, dass eine Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben sein wird. Damit würden nicht nur die Anlagen und Investitionen des Bergbauunternehmens entwertet, sondern auch die Immobilien der Bürger.
Die Zukunft unserer ansonsten strukturschwachen Region ist in Gefahr und würde in Frage gestellt werden. Der soziale Frieden in unseren Gemeinden ist ernsthaft gefährdet.
Mit wenigen Seiten beschriebenem Papier wurde aus unserer Sicht eine bisher zwar schmerzhafte aber klare Zukunftsperspektive ausgelöscht und ein Großteil der Bevölkerung grundlegend verunsichert. Warum werden wir als unmittelbar Betroffene vor derart weitreichenden Entscheidungen nicht vorher gehört? Wie sollen wir als Bürgermeister und Gemeinderäte denn unseren Bürgern erklären, dass unsere jahrelang gemeinsam verfolgten Ziele durch ein "Eckpunktepapier" hinfällig werden?
Sehr geehrter Herr Bundesminister Gabriel,
wir laden Sie ein, gemeinsam mit unseren Bürgern möglichst kurzfristig in Schleife oder Trebendorf über die sich für unsere Zukunft ergebenden Fragen zu diskutieren. Wir sind überzeugt, dass unsere Forderungen nach klaren Rahmenbedingungen mit langfristiger Rechts- und Planungssicherheit berechtigt sind.
Die Stimmung in unseren Ortschaften ist wegen der eingetretenen Verzögerungen und tiefgreifenden Verunsicherung zwar noch ruhig, es besteht aber die Gefahr einer dramatischen Zuspitzung. Die Menschen haben einen Anspruch auf Verlässlichkeit und Sicherheit für ihre Lebensplanungen.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Bork - Bürgermeister Gemeinde Schleife
Kerstin Antonius - Bürgermeisterin Gemeinde Trebendorf
Hier das Antwortschreiben vom 27. Mai 2015
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrter Herr Bürgermeister,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 16. April 2015 zu meinem Vorschlag für einen Klimabeitrag der Stromwirtschaft. Dieser Vorschlag hat eine öffentliche Debatte insbesondere über die Zukunft der Braunkohle in Deutschland angestoßen. Diese Debatte ist geprägt von den Sorgen in den Regionen mit Braunkohle-Tagebauen um die damit verbundenen Arbeitsplätze und die Auswirkungen auf die Wirtschaft. Diese Sorgen nehme ich sehr ernst. Daher habe ich immer betont, dass wir neben dem Atomausstieg nicht gleichzeitig aus der Kohle aussteigen können. Das ist seit langem Kern meiner Politik. Denn weder dürfen wir die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährden noch Strukturbrüche verursachen. Daher sieht mein Vorschlag auch genau das nicht vor.
Tatsächlich bedeutet die Energiewende einen Strukturwandel unserer Energieerzeugung. Unsere Herausforderung ist es, einerseits den Wandel so zu gestalten, dass es nicht zu Strukturbrüchen kommt und der Strukturwandel sozial verträglich gestaltet wird. Andererseits müssen die Strompreise für die deutsche Industrie wettbewerbsfähig bleiben, und wir wollen gleichzeitig unser Klimaziel von -40 Prozent im Jahr 2020 erreichen, zu dem sich die Energiewirtschaft, die Politik, Arbeitgeber und Gewerkschaften seit Jahren bekennen.
Wir als Bundesregierung haben daher am 3. Dezember 2014 beschlossen, dass der zusätzliche Beitrag der Stromerzeugung zur Erreichung des Klimaziels 22 Mio. Tonnen CO2 im Jahr 2020 betragen soll. Angesichts von 349 Mio. Tonnen CO2-Emissionen im letzten Jahr aus fossilen Kraftwerken kann ich hier keine fundamentale Gefährdung der Braunkohle erkennen.
Am 24. November 2014 hatte ich mich bereits mit Unternehmen und Verbänden der Energiewirtschaft getroffen, um über den Klimaschutz zu sprechen. Mein Ziel war es, gemeinsam mit den Unternehmen eine Lösung zu finden, wie der Beitrag der Strombranche zum Klimaziel erbracht werden kann. Leider haben sich Unternehmen und Verbände damals einer Diskussion verweigert und die Bundesregierung aufgefordert, Vorschläge vorzulegen. Dies haben wir nun getan.
Ich glaube, wir haben mit dem Klimabeitrag einen wirtschaftlich und sozial verträglichen Ansatz gewählt. Er hat nach meiner Ansicht den geringsten Effekt auf den Strompreis und damit auf die deutsche Industrie. Und er gewährt den Kraftwerksbetreibern Flexibilität, damit es nicht zu weiteren Kraftwerksstilllegungen kommt. Gleichzeitig sichert der Klimabeitrag getätigte und noch nicht amortisierte Investitionen ab und ist mit dem europäischen Emissionshandel vereinbar. Insgesamt ist die ostdeutsche Braunkohle aufgrund ihres moderneren Kraftwerksparks tendenziell weniger betroffen.
Die deutsche Braunkohle wird auch in den kommenden Jahren für Versorgungssicherheit und Preisstabilität in Deutschland benötigt werden. Dennoch ist es sehr verständlich, dass der Strukturwandel unserer Energieerzeugung bei den Arbeitnehmern und ihren Familien Sorgen auslöst. Deshalb sollten wir jeden Schritt in Ruhe miteinander diskutieren. Ich stehe dazu in intensivem Austausch mit den betroffenen Unternehmen, den Gewerkschaften, den Bundesländern, den Bundestagsfraktionen und anderen gesellschaftlichen Gruppen. Auch arbeiten wir nach ersten intensiven Konsultationen mit den Unternehmen an einer Anpassung des Vorschlags, um so weit wie möglich den vorgetragenen Bedenken Rechnung zu tragen.
Ich bin dabei offen für weitere Vorschläge, wie wir das parteiübergreifend beschlossene nationale Klimaziel von -40 Prozent und den hierfür erforderlichen zusätzlichen Beitrag der deutschen Stromwirtschaft von 22 Mio. Tonnen CO2 erreichen.
Diese CO2-Einsparung kann teilweise auch durch andere Maßnahmen erfolgen: auch hier bin ich für Vorschläge offen. Ich stehe für einen Dialog, wie die Klimaziele am besten zu erreichen sind und der Strukturwandel der Energiewirtschaft sozial verträglich ausgestaltet werden kann, sehr gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel
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